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Montag

Makrelendiskurs - 4. Ausgabe

Mit Händen und Ohren sehen

von Julia

Samstagnachmittag. Es regnet, der Himmel wirkt trübe. Mein Weg lockt mich zu einer Ausstellung der ganz besonderen Art. An den endlosen Baustellen der Speicherstadt vorbei gelange ich an der Adresse "Alter Wandrahm 4" an. Die Aufgänge sind behindertenfreundliche Rampen.
Das liegt nahe. Der Empfangsraum ist erleuchtet. Es herrscht geschäftige aber ruhige Stimmung. Die Garderobe ist gratis. Mir wird freundlich und geduldig das Procedere erklärt. Handy aus, Uhr ab, Geld griffbereit einstecken ("für die Dunkel-Bar"). Ich werde im "Dialog im Dunkeln" begrüßt.

Eine Ausstellung, die eine seltene Erfolgsgeschichte geschrieben hat.

Ich weiß noch nicht wirklich, was ich zu erwarten habe. Viele meiner Freunde und Bekannten sind bereits hier gewesen. Das ein oder andere wurde mir bereits erzählt. Alle Stimmen waren durchweg begeistert. Doch vorstellen kann ich es mir nicht. Es liegt nahe, daß es erfahren werden will.
"Sie nehmen an der Tour 23 teil. Sie werden aufgerufen".

Der Besuch der Ausstellung – oder sollte man sagen des Erlebnisses – ist ausschließlich mit Führung möglich.
Wie ist eigentlich die Definition des Begriffes "Ausstellung"? Gehört die Sinneswahrnehmung des Sehens dazu? Gilt die sinnliche Wahrnehmung des Haptischen und Akustischen auch als Erlebnis einer Ausstellung?
Die 23 wird aufgerufen. Eine weitere kleine Einführung, die einem die Angst nehmen soll. Es ist keine Geisterbahn, es gibt keine Stolperfallen. Also ruhig bleiben. Noch bin ich ganz locker. Was soll schon sein. Es wird dunkel. Ich tapse mit meinem Blindenstock herum. Es ist wirklich dunkel. So habe ich mir Dunkelheit nie vorgestellt. Ich renne gegen die Mitglieder meiner Gruppe. Beinahe ununterbrochen. Tapse weiter. "Oh Entschuldigung". Wir werden von unserem Begleiter begrüßt. Ich reiße meine Augen auf. Meine Netzhaut dreht komplett durch und schickt meinem Gehirn irgendwelche Merkwürdigkeiten zur Verarbeitung. Vergiss es, die werden Dir jetzt nicht helfen. Also Ohren auf. Ok, die Stimme kommt von vorn. Also sehnsüchtiges Streben in Richtung der Stimme. Wieder etliche Kontakte zu mir unbekannten Personen. Hallo Renate, hallo Aaron ... mit euch verbringe ich also meine nächsten 1,5 hilflosen Stunden. Ja, hilflos fühle ich mich. In meiner Gruppe sind (so glaube ich mich aus den hellen Anfangsminuten zu erinnern) vier Kinder. Ich höre Stimmen. Kinderstimmen, die begeistert, neugierig, abenteuerlich in Dunkle laufen. "Oh was ist das, das fühlt sich ja komisch an. Ih, oh, huch".
Wir werden durch verschiedene Räume mit unterschiedlicher Akustik und unterschiedlichen Gerüchen geleitet. Gras, Moos, Wasser, eine Brücke. Ein alter Speicher, in dem wir Fässer, Teppiche und Jutesäcke erkunden können. Ich tapse umher. Mein Selbstbewußtsein ist verschwunden. Ich beginne bereits die Kinder um ihre Unbefangenheit zu beneiden. Ein nächster Raum schickt uns in eine städtische Atmosphäre. Ein Auto, ein Fahrrad, eine Straße, eine Ampel ohne akustisches Signal. "Hört auf die Autos. Dann wisst ihr wann ihr über die Straße gehen könnt". Ich taumle, versuche mich zu konzentrieren. Lärm. Der allgemeine Straßenlärm. Ich gehe los, denke noch bei mir, daß da bestimmt noch ein Kantstein kommt, höre die Autos wieder losfahren. Ok, ich wäre also jetzt überfahren worden. Die Kinder sind schon lange auf der sicheren Seite.
Nach etlichen Erlebnissen mehr (z.B. einer Bootsfahrt) und einigen Überlegungen meinerseits, ob ich vielleicht einen Schwächeanfall simulieren sollte, um hier schnell wieder rauszukommen, gelangen wir in einen Raum mit Resonanzboden. Wir dürfen uns hinlegen. Musik beginnt. Hören und Spüren. So habe ich noch nie gehört. Hat mein Gehirn schon umgestellt? Endlich kann ich mich entspannen, fast fallen lassen. Mein Erinnerung schickt mir Bilder zu der Musik.
Wie wäre es jetzt, wenn ich noch nie hätte sehen können, d.h. keine sehenden Erinnerungen habe? Sieht dann das Gehirn? Was sieht es dann?
Danach geht es in die Dunkel-Bar. Hier komme ich besser zurecht. Liegt wahrscheinlich daran,
daß ich täglich in einer Bar arbeite, wahrscheinlich liegt es aber eher am Überlebenswillen
des Gehirns und der damit verbundenen Anpassungsfähigkeit. Zumindest komme ich wie es scheint hier mit den Aufgaben Bestellung und Bezahlung das erste Mal besser klar als die Kinder aus der Gruppe. Wir nehmen Platz und unterhalten uns noch eine Weile mit unserem Begleiter, der wie vermutet nicht zu den Sehenden gehört. Wir erfahren, daß er gerade an einer "normalen" Schule sein Abitur macht und wie das heutzutage, dank Technik, funktioniert. Die 1,5 Stunden sind vorbei. Die Erlebnisdichte war so hoch, daß ich das Gefühl habe, ich habe mich hier mindestens einen halben Tag aufgehalten.
Das Licht beißt, meine Netzhaut saugt alles auf, was ihr geboten wird. Die nächsten Gruppen warten schon. Auf meinem Weg zur Garderobe passiere ich einen Terminal. Dort wird die Ausstellung Schattensprache vorgestellt. Ich bleibe stehen und schaue mir die Bilder an. Sehen. Aber nicht hören. Ich entschließe mich dazu, demnächst nach Rendsburg zu fahren.

Dialog im Dunkeln
Verein zur Förderung der sozialen Kreativität e.V.
Alter Wandrahm 4
20457 Hamburg
www.dialog-im-dunkeln.de
Öffnungszeiten
montags geschlossen!
Di-Fr 9-17 Uhr; Sa/So/Feiertags 11-19 Uhr
Booking-Line:
0700 44 33 2000 (max. 12 Ct./Min.)
Mo 9:00 Uhr - 17:00 Uhr (12 Ct./Min.)
Di - Fr 8:30 Uhr - 17:00 Uhr (12 Ct./Min.)
Sa/So/Feiertags 10:30 - 19:00 Uhr (6 Ct./Min.)
Tickets
Erwachsene € 14,-
ermäßigter Eintritt € 9,- (Schüler / Studenten / Schwerbehinderte...)
Kinder € 6,- (bis 14 Jahre)
Familien € 38,- (max. 5 Personen: Eltern mit 3 Kindern bis 14 Jahren)
Schattensprache
Eine Ausstellung zur nonverbalen Kommunikation
Hände sprechen – Augen hören
Im Provianthaus Rendsburg
Schattensprache GmbH
Provianthausstraße 9
D-24768 Rendsburg
Booking-Line: 0700 20 30 20 03
(max.12 Ct./Min, 9.00 Uhr bis 17.00 Uhr,
Samstag 10.00 Uhr bis 16.30 Uhr)
E-Mail: info@schattensprache.de
Öffnungszeiten
Montag geschlossen
Dienstag 09.00 – 18.00 Uhr
Mittwoch 09.00 – 18.00 Uhr
Donnerstag 09.00 – 20.00 Uhr
Freitag 09.00 – 15.00 Uhr
Samstag 12.00 – 18.00 Uhr
Sonntag geschlossen
Tickets
Erwachsene € 9,00
ermäßigter Eintritt (gegen Vorlage eines entsprechenden Ausweises) € 6,50
Kinder (bis 14 Jahre) € 4,50
Familien (max. 5 Personen: Eltern mit 3 Kindern bis 14 Jahre) € 23,00

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