

von Alkje
In allen möglichen Bereichen verändern sich die Dinge in unglaublicher Geschwindigkeit. Sei es die Technik – mein Handy kann mehr, als ich jemals zu begreifen in der Lage sein werde. Sei es die Gesellschaft – die Jugend von heute hat definitiv nichts mehr mit meiner Jugend zutun, und ich bin erst Ende zwanzig. Die Beispiele für die kaum nachvollziehbare Geschwindigkeit, in der sich alles ändert, sind zahlreich. Selbst mir mit meinen Ende zwanzig rutscht ab und an derjenige Satz raus, den – zu meiner Zeit – üblicherweise Kinder von ihren Großeltern zu hören bekamen: „Früher war alles anders“.
Doch im Irrgarten der Veränderungen gibt es eine verlässliche Konstante, eine Oase für Nostalgiker: Männer und Frauen verstehen sich nicht. Das ist schon immer so gewesen, und – jeder Mann und jede Frau wird meinen diesbezüglichen Optimismus unterstützen – das wird auch immer so bleiben. Aber warum? Wenn sich doch alles verändert, wenn doch alles im rasenden Fortschritt begriffen ist – warum dann nicht auch die Kommunikation zwischen Mann und Frau? Warum ist die Kommunikation zwischen den Geschlechtern so dermaßen entwicklungsresistent? Vielleicht, weil sich gar nicht der Mensch an sich fortentwickelt. Die Technik, ja, die entwickelt sich weiter. Und das tut sie nicht von alleine, klar, da stecken wiederum Menschen hinter, die die Technik weiterentwickeln. Aber der Mensch scheint so sehr damit beschäftigt, andere Dinge weiterzuentwickeln, dass keine Zeit mehr für seine persönliche Weiterentwicklung bleibt. Natürlich kann auch der Mensch an sich heute wesentlich mehr als früher. Beispielsweise spricht er heute im Durchschnitt mehr Sprachen. Und dank der eher suboptimalen Arbeitsmarktsituation ist der Mensch auch gezwungen, sich alle möglichen mehr oder weniger nützlichen Fertigkeiten anzueignen, wenn er sich gegen die riesige Anzahl von Mitbewerbern behaupten will. Entsprechend umfangreich ist das Weiterbildungsangebot der weiterbildenden Institutionen. Zu jedem Unterthema eines Spezialthemas eines Unterbereichs innerhalb eines Spezialbereichs eines Themas gibt es Kurse. Der Mensch kann alles lernen, was er will.
Aber wer bringt dem Menschen die Dinge bei, die wirklich wichtig sind? Die nichts mit Karriere und Konkurrenz zutun haben? Sondern mit Glück, Zufriedenheit, Harmonie und Lebensfreude? Gibt es da auch Kurse? Oder fangen wir klein an: Wenn für jede Sprache der Erde Kurse angeboten werden, warum gibt es dann keine Kurse zur Sprache der Geschlechter? Ist es wirklich wichtiger, Chinesisch sprechen zu können, als die Sprache seines Lebenspartners zu beherrschen?
Also: Gibt es Kurse die uns lehren, unseren Partner zu verstehen, glücklich zu sein, in Harmonie mit uns und unserer Welt zu leben? Nein. Warum nicht? Weil das nicht so einfach ist. Aha. Es ist also einfacher, ein Handy zu entwickeln, dass mir von der Tanke gegenüber einen Kaffe holen kann, als glücklich zu sein? Wir lernen in unserem Leben etliche Dinge, erwerben etliche Fähigkeiten, nehmen etliche Hürden, meistern etliche Herausforderungen. Diese Dinge befriedigen uns. Diese Dinge zeigen uns, dass wir jemand sind und was können. Für diese Dinge ernten wir Bewunderung und Respekt. Niemanden interessiert es, ob wir glücklich sind. Niemand bewundert uns, wenn wir glücklich sind. Jeder möchte uns alles Mögliche beibringen. Weil er uns helfen will. Auch die ganzen Weiterbildungsinstitute wollen uns helfen. Helfen, noch mehr und noch mehr zu lernen. Noch mehr und noch mehr zu können. Aber niemand bringt uns bei, glücklich zu sein. Und warum? Weil man mit Glücklichsein seine Miete nicht bezahlen kann. Weil man Glücklichsein nicht in seinen Lebenslauf schreiben kann. Und auch „Seinen Partner Verstehen“ hat sich noch immer nicht als Einstellungskriterium durchgesetzt. Wie dem auch sei. Da auch ich Miete zahlen muss, widme ich mich jetzt wieder den Unterlagen meines aktuellen Weiterbildungskurses. Glücklichsein und meinen Mann verstehen mache ich dann wann anders. Hab noch so viel auf dem Zettel. Da bleibt keine Zeit für Schnickschnack.
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