Tanzverbot vs Religionsfreiheit
von Julia
Wie jedes Jahr war ich um Ostern herum unsicher; das Wort Tanzverbot hing in der Luft.
Jedes Jahr aufs Neue wusste ich nicht, ob ich es ernst nehmen sollte oder nicht. Wieder durfte ich erfahren, daß wir es ernst zu nehmen haben; denn pünktlich erschienen die Herren in dunkelblau und untersagten uns sogar die Hintergrundmusik. Wohlbemerkt auf St. Pauli – nicht etwa im Vatikan. Was sagt uns das Internet, insbesondere Wikipedia, zum Tanzverbot?
Tanzverbote kommen in fast allen monotheistischen Kulturen vor, weil Tanzen als
unsittlich, schädlich oder gar als Ausdruck des Teufels galt.
Im Mittelalter war das Tanzen den Christen zeitweise vollständig untersagt.
Heute gilt es mehr oder weniger nur noch für die sogenannten hohen Feiertage, wie zum
Beispiel Karfreitag, und ist sogar gesetzlich verankert, kann also von Staats wegen durchgesetzt werden.
Das Verbot wird sogar aus dem Grundgesetz hergeleitet, das im Art 140 GG i.V.m. 139 der WRV (=Weimarer Reichsverfassung) die anerkannten Feiertage als "Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung" unter besonderen Schutz stellt.
Doch worum handelt es sich wirklich?
Die Feiertage sind ausschließlich christlicher Herkunft.
Gut, wir mögen in einem christlich geprägten Land leben. Da mag es auch deutlich Schlimmeres geben.
Doch leben wir nicht auch in einem Staat, der sich auf die Fahne schreibt, daß Staat und Religion voneinander getrennt sind? Führt dieser Umstand nicht auch dazu, daß wir uns allzu oft und zu gern von den sogenannten fanatischen Glaubensstaaten meinen abheben zu dürfen?
Doch wie kann diese staatlich durchgesetzte, aber dennoch religiöse Tradition tatsächlich verstanden werden?
Meines Erachtens handelt es sich um eben diese Verquickung von Staat und Religion,
von der wir uns eigentlich losgesagt haben wollen. Denn wie sollen Atheisten und Andersgläubige ihre möglicherweise anderen, ebenfalls durch die Verfassung geschützten Interessen durchsetzen?
Zu unseren Grundrechten (Art 4 GG), ja sogar Menschenrechten, gehört eben auch die
Religionsfreiheit; und zwar die aktive und die passive Religionsfreiheit. Der Bürger
darf seine Religion ausüben – bis zu der Grenze, bei der das Recht eines anderen
Bürgers anfängt. Umgekehrt ist er vor den ihm unangenehmen Folgen der Ausübung
von Religionsfreiheit durch andere Bürger zu schützen.
Heißt nun Religionsfreiheit, daß in Deutschland nur die Christen ihre Religion mit
Glockengeläut und ihren Feiertagstraditionen ausüben dürfen und andere Religionen lediglich geduldet werden? Oder würde Religionsfreiheit vielmehr bedeuten, daß eben alle ebenso offensiv ihren religiösen Bedürfnissen folgen dürfen? Das würde wohl mehr oder weniger zu knapp 300 Feiertagen im Jahr führen, pausenlosem Gerufe, Geläute, Gesinge, zu 1800 Propheten, orange-oder-sonst-wie gekleideten und trommelnden Straßentänzern und was die bunte Welt noch so zu bieten hat.
Wohl auch keine Alternative.
Eine exzessive Parallelwelt von Glockengetöse und Kopftuchverbot steht einem demokratischen Staat nicht gut zu Gesicht. Sollten wir deshalb die Religionsfreiheit nicht doch mehr als eingegrenzt durch die passive Religionsfreiheit verstehen?
Das hieße im obigen bereits angesprochenen Sinne: Jeder hat das Recht auf Ausübung
seiner Religion, so lange er nicht Andersgläubige damit belästigt, gar bedrängt und
in ihrer Freiheit, in ihrem Grundrecht auf Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 1 GG),
einschränkt. Jeder Christ hat das Recht, in eine Kirche zu gehen, zu beten, seinen Traditionen zu folgen und ja sogar am Karfreitag auf das Tanzen zu verzichten. Kein Christ ist am Karfreitag dazu gezwungen, sich in einen Musikclub zu begeben und zu tanzen.
Aber warum darf ein Atheist oder ein Andersgläubiger nicht am Karfreitag tanzen gehen?
Präsentationen unserer Partner
Samstag
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen