Der Astra-Turm
eingesandt von Oliver Schumann
Das mittlere Hochhaus auf dem Neubauareal »Brauereiquartier« zwischen Hopfen- und Berhard-Nocht-Straße ist Ersatz für ein kubisches Gebäude, das vor seinem Abriß ein Wahrzeichen St. Paulis darstellte. Man wollte es erhalten, doch es kam anders …
Heute ist es allein der Name, der auf jenes »Industriegebiet« verweist, das alteingesessenen St. Paulianern noch als betriebsames Brauereigelände ein Begriff ist. Das Grundstück wurde bereits 1863 an die »Actien-Brauerei« vergeben, die bis ins Jahr 2000 vor Ort blieb. Es prangte jahrelang ein Leuchtschild an einer Hallenmauer in der Hopfenstraße, Ecke Zirkusweg: »Bavaria-St. Pauli Brauerei«. Hier wurde Bier gebraut und abgefüllt - die Marke Astra erfreut sich bis heute ungebrochener Beliebtheit!
Das Erbe der Guldenburgs
Bis vor 18 Jahren flimmerte eine beliebte TV-Serie über die Mattscheiben. Das Besondere daran: Neben dem Schloß Wotersen bei Hamburg wurde eine weitere markante Immobilie ins rechte Licht gerückt, der »Astra-Turm«. Vorzugsweise aus der Vogelperspektive gefilmt, spielte er eine architektonische Hauptrolle in der ZDF-Produktion »Das Erbe der Guldenburgs« (39 Folgen, 1987 – 1990). Das Hochhaus diente – in der Serie, wie real – als Verwaltungsgebäude der Brauerei. Der Turm entstand zwischen 1969 und 1971. Architektonisch gewitzt, wenn auch bis zum Abriß nicht erkennbar, war ein dreigeschossiger Sockel – ein Fahrstuhlschacht – auf dem sich der eigentliche »Kasten« erhob (Architekten Carl Friedrich Fischer und Horst von Bassewitz).
Mitte der 1980er Jahre wurde das Betriebsgelände erweitert und ausgebaut, im
östlichen Teil baute man neue Hallen. Das erforderte sogar die Verlegung des Zirkusweges! Geschwungene Mauern umschlossen hier das Areal, das nur gen Sü den hin offen und zugänglich war, eben dort wo jetzt der Nachfolgeturm steht. Den sich gelegentlich verbreitenden Gestank von Maische tolerierten die Anwohner ohne Murren.
Es ist ein Gerücht, daß der Betrieb nur wegen der Geruchsbelästigung einmal im Jahr für Besucher öffnete.
Am »Welt-Astra-Tag« waren Nachbarn und Freunde eingeladen, den Produktionsprozess aus der Nähe zu bestaunen.
Bier, Wurst und Musik umrahmten diesen »Tag der offenen Tür«.
An diese besseren Zeiten erinnert die erwähnte TV-Serie über zwei rivalisierende Familien, derer »von Guldenburg« und der »Balbecks«. Für die Dauer der Dreharbeiten wechselte man sogar die Firmenschilder am Dachfirst des Hochhauses aus und die Fahnen, die an jeder Ecke des Daches wehten, gleich dazu. Im Shop der Esso-Tankstelle (in der Taubenstraße) gab es das Bier der Marken »Guldenburg Premium« und »Balbeck Pilsener« käuflich zu erwerben! – Diese Phase bezeichnet möglicherweise den wirtschaftlichen Höhepunkt in der Neuzeit der Brauereigeschichte. Der Anfang vom Ende wurde noch im Jahre 2000 eingeleitet. Der Traditionsbetrieb war inzwischen von der Holsten Brauerei AG übernommen worden, woraufhin sich das Bierbrauen nach Altona verlagerte.
Der Abriß naht
Nach dem Auszug und der Demontage der Fabrikationsanlagen verkam die Brauerei zur Industrie-Brache. Zuweilen nutzten Veranstalter die leeren Hallen für Ausstellungen
und Partys oder ähnlichem. Es muss Ende 2003 gewesen sein, als man mit dem Abriß begann.
Nur der »Astra-Turm« sollte erhalten werden. Vorgesehen war eine Grundsanierung mit
einer Außenverkleidung aus Glas. Doch die Bauherren mussten während der Erschließung des Baugrundes erkennen, daß die enorme Unterkellerung ein zu hohes Risiko für die Gebäudesicherheit darstellte. Das Schicksal des Turms war besiegelt…
Anfang Februar 2006 erinnerten nur noch einige Restmauern der Tiefgeschosse an die traditionsreiche Geschichte der »Bavaria-St. Pauli Brauerei«. – Wer sehen will, wie der Betrieb und besonders der »Astra-Turm« in besten Zeiten den südlichen Kiez (mit-)prägten, der kann sich »Das Erbe der Guldenburgs« zu Gemüte führen. Inzwischen sind alle drei Staffeln auf DVD erschienen.
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