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Montag

Makrele stellt vor - 6. Ausgabe


Das Ladenportrait

von Sönke
Bilder: Olaf Deharde und Carolin Urban

Lunacy

Es gibt Läden, die findet man nicht so leicht. Hat man sie aber erst einmal gefunden, findet
man sie großartig. Und vor allem findet man nur schwer wieder raus.

Das Lunacy (Hamburger Berg 25) ist so ein Laden.

Mehr als einmal habe ich den schmalen Bereich zwischen Tresen und bunt plakatierter
Wand erst im Morgengrauen Richtung Ausgang verlassen, wenn die Hocker mit dem aparten Tiger- und Leopardenfell-Muster bereits umgedreht auf den Tischen standen und man sich zu recht fragen durfte: Nehme ich jetzt schon Aronal oder noch Elmex?

Julia und Jo Scpincka, beide wohnhaft auf St. Pauli, betreiben das Lunacy seit 1998 – schnell mal an allen vorhandenen Fingern nachgezählt – richtig: Die Kiez-Bastion für Rockmusik und familiäres Miteinander feiert dieses Jahr ein großes Jubiläum.

Grund genug für die Makrele sich vor Ort, im Gespräch mit Julia und Stamm-DJ „Ayhan Maiden“ (bürgerlich: Gunnar Jessen), ein Bild von dieser sympathischen Rock-Institution zu machen und den geneigten Leser auf eine Party hinzuweisen, die neue Werte auf der Richter-Skala markieren dürfte.

Zwischen goldenen Deko-Putten, glitzernden Vorhängen, Wänden die unter Band-Postern, Aufklebern und Bildern zu verschwinden drohen, wälzt sich, zu so früher Stunde noch in moderater Lautstärke, wechselnde Musik aus den Boxen. Punk, Metal, Alternative... eine Mischung, so farbenfroh wie das Ambiente. Ja, der „erste richtige Rock-Laden am Berg“,
wie Gunnar zwischen zwei Schluck Bier zufrieden und nicht ohne berechtigten Stolz
anmerkt, rockt wie Sau.

Grätsche zwischen Harmonie und Headbanging.

Das Konzept ist die bühnenreife Grätsche zwischen Harmonie und Headbanging.

Julia betont: „Wir wollen Gäste, die zu uns passen, die nicht einfach nur da sind, sondern kommunizieren und mitmachen“. Keine leeren Worte – die Atmosphäre ist familiär; entweder lernt man sich kennen, oder man kennt sich bereits.

So treibt uns die wachsende Ansammlung von Stammgästen während unseres Gespräches auch keine fragenden Falten auf die Stirn; der eine oder andere ist seit den Anfängen dabei und somit schon Teil der Einrichtung – das kleine Namensschild aus Messing am Tresen? Hier sitzt einer von vielen gewohnheitsmäßigen Lunacy-Nachtschwärmern.

Einer wie „Hülse“, der auf die Frage, wie viele Tage er denn wöchentlich im „Wohnzimmer“ seiner Wahl zubringe, nur trocken die breiten Schultern zuckt: „Acht!“

Selbst wenn die Kneipe in wilden Nächten, von der kleinen Tanzfläche bis zum Tresen bebend, weltweit spürbare Erdstöße verursacht, wenn der DJ sich zwischen zwei brachialen Gitarrenriffs auszieht und die tobenden Gäste Stagediving von den Tischen betreiben – einen Türsteher hatte das Lunacy nie nötig. Man passt aufeinander auf und achtet bei aller Ausgelassenheit vor allem auf ein friedliches Miteinander. Das Publikum vermeidet eigenständig Konflikte, ohne den Spaß auf der Strecke zu lassen.

Fern jeder Szene-typischen Arroganz legt man vor allem Wert auf anständige Bedienung und Behandlung der Gäste; so spannt sich fast von selbst ein soziales Netz, in dem sicher und geborgen ausgiebig gerockt wird. „Außer der Musik ist hier nichts und niemand aggressiv“, sagt Gunnar.

In ihrem Laden spiele es keine Rolle, ob man Rockstar oder Putzfrau sei, hakt Julia ein. Das Lunacy wolle diese Grenzen aufheben. So finden sich auch Musiker nach ihren Konzerten gerne am Hamburger Berg ein, selbst Kid Rock darf hier für ein paar Stunden seine üblichen Posen vergessen. Julia lacht: „Ganz ehrlich – ich wusste nicht einmal, wer das überhaupt ist!“

10 Jahre saufen für den Frieden.

Am 17.4.2008 feiert das Lunacy nun also den zehnten Jahrestag seiner Eröffnung: Zehn Jahre „Saufen für den Frieden“, Harmonie, Spaß und laute Musik gegen den Schwachsinn in der Welt. Um 20:00 Uhr startet das Geburtstagsfest; die Gäste werden ausdrücklich gebeten, zum halben Preis zu trinken. Glückwünsche und gigantische Geschenke sind willkommen. Natürlich ist das Fassungsvermögen des Geburtstagskindes begrenzt.

Wer jetzt schon beschlossen hat, diese wahnwitzige Feier keinesfalls verpassen zu wollen, dem sei dringend geraten, sich seine (natürlich kostenlose) Einladung zu den regulären Öffnungszeiten (So. - Do.: 21:00-4:00, Fr. - Sa.: 21:00-open end) am Tresen abzuholen, denn: Bei dem zu erwartenden Ansturm, kann nur Gratulanten mit Einladungskarte der Einlass auch garantiert werden! Eingeladen ist jeder... außer Nazis natürlich! Da verstehen die Betreiber als alte Antifaschisten keinen Spaß: „So was kommt uns nicht in den Laden!“

Während unter der originellen Decken-Dekoration im Kicker- Raum wilde Gefechte stattfinden, plaudern wir in wachsender Runde locker über Musik, das Rauchverbot und Bierpreise. Letztere wurden seit der Euro-Einführung im Lunacy übrigens nicht angehoben – trotz stetig steigender Nebenkosten. Julia rümpft verächtlich die Nase: „EON und Co. würden wir am liebsten durch den Häcksler jagen!“ Diese Bemerkung ist uns einen „Mexikaner“ wert.

Das Hausgetränk

Das Hausgetränk ist nicht nur verdammt lecker, sondern sogar prämiert: 2007 setzte es
sich in einem offi ziellen „Mexikaner-Contest“ unter den kritischen Geschmacksnerven von 35 Jury-Mitgliedern gegen vier weitere Kneipen durch. Ein Urteil, dem wir uneingeschränkt zustimmen, und zur Sicherheit gleich eine weitere Runde verköstigen.
Die Stimmung wird kuschelig und die Musik spontan handzahmer – Gunnar sieht sich
genötigt, dieser Entwicklung charmant entgegenzuwirken:
„Ey, Digger!“, ruft er seinem Kollegen am Mischpult zu, „Hast Du Weichspüler gefressen, oder was?“

Nur Spaß, klar – Humor und musikalische Stilbrüche gehören zum Konzept: Slayer
im Schulterschluss mit Funny van Dannen? Willkommen im Reich des liebenswerten
Wahnsinns!

Was unsere Leser sonst noch über das Lunacy wissen sollten, frage ich Julia, und ihre Stammgäste nehmen ihr einstimmig das Ruder aus der Hand: „Ach, was! Die sollen alle herkommen und sich selbst überzeugen!“
Die Makrelen jedenfalls bekommen das breite Grinsen der Vorfreude schon gar nicht mehr aus dem Gesicht und werden sich am 17.4. geschlossen und mit wehenden Fahnen einfinden.

Wir sehen uns! Darauf noch schnell ein Mexikaner, ehe unser neues Wohnzimmer uns wieder in den ungemütlichen Regen entlässt.

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