Videopanel 2008
von Sonja
Wie war das wohl, als unsere Vorvorvorfahren vor gut 30.000 Jahren ihren Spaß bei einem chilligen Zusammenhocken in der vom Feuerschein erhellten Höhle hatten und Vetter Erich mit den neuesten „Gedanken-und-Geschichten-zu-den- Malereien-an-der-Wand“ aufwartete?
Sicher spannend. Die flackernde Lichtquelle kann mit ein bißchen Phantasie für bewegte Bilder gesorgt haben.
Uralt diese Art der visuellen Kommunikation und doch fast wieder zeitgemäß. Einen weiten Weg hat die Entwicklung des künstlerischen Ausdrucks seitdem genommen. Über das Ölgemälde, doch wieder direkt auf die Wand.
Videokunst, gleichgültig ob computeranimiert oder ganz klassisch gefilmt und geschnitten, ist eine sehr zeitgemäße Kunstform geworden, die sich mit unserer stark durch visuelle Medien geprägten Zeit gut auseinandersetzen und sie spiegeln oder persiflieren kann.
Im Januar fand in der Clemens-Schultz-Straße 85, in einem leerstehenden Laden, das zweite Videopanel Hamburgs statt. Die ganze Location war für eine Woche mit großen Leinwänden ausgestattet, auf denen 11 Videokünstler ihre Arbeiten zeigen konnten. Vertreten waren unter anderem Künstler aus New York, Tel Aviv und Hamburg.
Die Räumlichkeiten waren wie gemacht für die Veranstaltung. Viele Räume verschiedenster Größe und Art. Alles weiß gestrichen. Eine große Halle mit hoher Decke. Hier eine Treppe hoch, da eine Stahlwendeltreppe hinunter. Besonders die in den dunklen Kellerräumen gezeigten Filme hatten schon durch das Ambiente gewonnen.
So wie das Video „Nightmare on Elmstreet 2:36:21“. Grusel!
Dieses Werk ist von der Hamburger Künstlerin Cordula Ditz und läuft, wie der Titel schon nahelegt, 2 Minuten, 36 Sekunden und 21 Frames. Es sind nur die Sequenzen des Horrorstreifens zusammengeschnitten, in denen keine Menschen im Bild zu sehen sind. Trotzdem bleibt die Stimmung des Films erhalten. Die aneinander geschnittenen, menschenleeren Einstellungen wechseln schnell, aber durch die auf Gruseleffekt angelegte Kameraführung, den Sound und die dunkle Szenerie wird die Stimmung des Films unverstellt dargeboten. Und das auf einer Riesenleinwand in einem Kellerraum!
In einem weiteren Kellerraum dann das stimmungsmäßige Gegenstück: Ein Synchronschwimmer – ein Bild von einem Mann – in vielen Unterwasseraufnahmen eingefangen. Der ganze Raum ist von der Leinwand her in blaues Licht getaucht. Bill May, Trainer der amerikanischen Olympiadamen im Synchronschwimmen, begnadet in Hochglanz gefilmt und sehr sexy. Das hab ich mir zweimal angesehen :)
Zurück in den ersten Raum, in dem ein computeranimiertes Video läuft. „Just a second, life“ thematisiert das Leben im Netz. Auf einer Waldlichtung sitzen stylische, junge Menschen auf Baumstümpfen. Immer einer von ihnen hebt die Arme vor die Brust und tippt in eine imaginäre Tastatur.
Was, das ist unten im Bild zu lesen. Sie chatten im virtuellen Raum. Es gibt keine Berührung, keinen Blickkontakt. Sie philosophieren und suchen Antworten, aber nur mittelbar. Die Hauptfigur hat, wie eine Maske, die Google-Startseite auf ihren Gesichtszügen liegen. Eine spürbare traurige Kälte liegt in diesem Film.
Die Suche nach Nähe und Zärtlichkeit führt die Zweitidentitäten durch verwunschene Sexgärten von einschlägigen Erwachsenenseiten, nur hier kommt es zu Berührungen, die ja allerdings auch nur von den Chattenden gedacht sind und nie reale Nähe ersetzen können. Eine sehr realistische, filmische Darstellung dessen, was im Netz mit der zwischenmenschlichen Kommunikation und der Suche nach Wärme passieren kann.
Den ausgeschriebenen Videopreis des Videopanel 2008 hat dann aber eine auf den ersten Blick unaufwendige Arbeit erhalten. Ein reales schriftliches Abhörprotokoll des FBI zur Zeit McCarthys – für den Film nachgestellt – ist Grundlage dieser filmischen Umsetzung von Bedrohung und damit stark empfundener Beklemmung amerikanischer Bürger durch die schwarzen Listen des Staates, welche das Bekämpfen von „kommunistischen Umtrieben“ erleichtern und systematisieren sollte.
Protokolliert wurde während einer Dinnerparty eines befreundeten Ehepaars des damals wegen „kommunistischen Umtrieben“ zum Tode verurteilten Ehepaars Rosenberg. Die Anwesenden wissen, daß sie belauscht werden und genau das setzt der Film um. Gezeigt werden nur ein Hausflur und ein Blick auf eine dunkle Straße, der Inhalt macht die Brisanz aus und die bedrückende Stimmung überträgt sich auf den Betrachter.
Übel aktuell, denn „innere Sicherheit“ ist auch heute wieder ein Schlagwort, das bemüht wird, um die Bürger des eigenen Staates, hier wie dort, ins Visier zu nehmen.
Gerade die Vielfalt der durchweg guten Beiträge hat das Videopanel zu einer sehr lohnenden Veranstaltung gemacht. Ein großes Lob an die Veranstalter, die man unter „Stile der Stadt“ im Netz findet.
Steinzeit-Vetter Erich wäre stolz gewesen.
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