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Dienstag
Ilona guckt - 5. Ausgabe
Thalia Vista Social Club
Die Theaterkolumne von Ilona Kira
Wir schreiben das Jahr 2044.
Ich bin mit meinem Raumschiff Cultureprise im Thalia Theater gelandet.
Sternzeit 0800 – einsam putzt eine Mitarbeiterin des Planet Altersheim die Gemeinschafts-Kemenate ihrer Schützlinge. Heute ein unterbezahlter Job – in der Zukunft anders?
Wir wissen es nicht, aber ich registriere einstürzende Wunschvorstellungen und Hoffnungen.
Langsam nähern sich durch die Zimmertür des Gemeinschaftsmoduls die Bewohner der Station. Dem einen muss geholfen werden, der andere nimmt die letzten jugendlichen Energien zusammen um über die Schwelle zu stolpern, andere wiederum irren in geistiger Umnachtung zum Bühnenrand.
Hier schon bereits der erste grandiose Wohlfühleffekt meiner Betrachtungsweise. Hervorragende schauspielerische Qualität bis ins kleinste Detail.
Meine werten Kollegen also am Ende Ihres Daseins. Und immer noch ein hoher Wiedererkennungswert.
Der ewig monologisierende Schwätzer, die ewig Autonome, die auch im Alter mit Beschimpfungen und Mittelfinger nicht spart, der ewig Experimentelle dessen altersgeschwächte Lunge mittels Marihuana am Atmen bleibt, das sich seit ewigen Zeiten treue Ehepaar, welches sich mit einer Mischung aus Orientierungslosigkeit und Helfersyndrom auf vier Beinen gemeinsam durch die Irrungen und Wirrungen des Lebensabends bewegt. Tabletten werden verabreicht, damit der Pianist auch die Tasten trifft, die er gedenkt virtuos anzuschlagen.
Die alternden Protagonisten zeigen uns, was im Alter so wichtig ist: eine eigene innere Melodie und Kreativität. Denn dann macht auch das Altwerden Spaß und hilft über die Audiomonotonie einer dünn singenden Pflegekraft, deren Publikum nicht weglaufen kann, einem immer größer werdenden Pflegenotstand und Beruhigungsmittelüberfluss hinweg.
Ohren zu und durch!
Ohren jedoch weit auf bei den wunderbaren Songs der 70er, 80er und 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts – brillant vorgetragen von den schrägen Senioren des Thalia- Ensembles.
Herrliches und empfehlenswertes Theater!
Nachdenkliches am Rande:
Jüngst sah ich einen TV-Bericht über ein städtisches Alten- und Pflegeheim in Norwegen. Hier wurde auf die Individualität der einzelnen Menschen eingegangen. Man betreute sie ihrem Wesen entsprechend und gab ihnen die Möglichkeit, ihren eigenen Lebensrhythmus zu leben, sprich: also auch eigene Essenszeiten statt Fütterung der Raubtiere um 17.00 Uhr, damit so der Lebensabend genießbar bleibt.
Was doch mit dem gezielten Einsetzen öffentlicher Gelder alles gemacht werden kann!
Und auch das steht uns im Alter ins Haus:
Heuschrecken, auch ausländische Investoren genannt, kaufen sich in die großen Pflegezentren in Deutschland ein, um das hochsensible Geschäft mit Pflege- und Hilfsbedürftigen Menschen mittels Gefechtstaktik der US-Marines "Überraschung - Angriff - Festsetzen" zu übernehmen und auszuschlachten.
Wer sich wehrt, darf gehen – entweder in die Arbeitslosigkeit oder als Bewohner ... wenigstens in den Rausch der Barbiturate.
Eine Kontrolle dieser Pflegezentren ergab, daß kaum Gelder dort ankommen wo sie wirklich hingehören.
Da ich zu jener Altersgruppe gehöre, in deren Zukunft ich einen Blick werfen durfte, danke ich dem Ensemble, daß es mich einer Lösung einen Schritt näher gebracht hat.
Ich überlege, nach Norwegen auszuwandern, doch meine südländische Seele schreit:
"zu Kalt!" ...
Ja ... und hier? ....
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