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Montag

Makrele feiert - 2. Ausgabe

Gaststätte "Zum Silbersack"

von Andy
Bilder: derklaus und Olaf Deharde


Der Silbersack ist wohl die älteste St. Pauli-Seemannskneipe, die heute noch funktioniert. Kein zweites Stück altes St. Pauli, das noch so lebendig ist. Seit der Eröffnung 1949 steht Inhaberin Erna Thomsen hinter dem Tresen, inzwischen 84-jährig hat sie den Laden jeder Zeit voll im Griff. Sie hat den Silbersack nach dem Krieg auf einem Trümmergrundstück aufgebaut und durch alle Höhen und Tiefen der Kiezgeschichte gesteuert. Die Tage, als Hans Albers hier betrunken die Zeche prellen wollte, sind zwar schon ein bißchen her, aber viel hat sich nicht verändert. Der Laden sieht noch ziemlich genau so aus, das bunte Treiben ist dasselbe, nur die Menschen sind andere, überwiegend. Heute kommt Ulrich Tukur (bezahlt allerdings).





Der Laden hat jeden Trend, jede Mode an sich vorbei ziehen lassen, bis er selbst zum Kult wurde. Schlichte Holztische zu Reihen zusammen geschoben, hölzerne Sitznischen, Steinfußboden, an den braunen Wänden alt-hamburgische Malereien, der niedrige Tresen mit „Reling“ zum Festhalten, darauf das große Sparschwein in dem Erna für die Kinder von St. Pauli sammelt. Die Musik kommt seit jeher aus der Jukebox, überwiegend Schlager und maritimes Liedgut, nur gelegentliche  Konzessionen an die Welt der englischsprachigen Musik. Solide Preise, man trinkt Astra aus der Flasche zu 1,90. Für die Damen gibt’s schon mal n Pony (Piccolo Fläschchen Sekt).

Das gastronomische Konzept funktioniert seit fast 60 Jahren praktisch unverändert. Dabei ist jeder Silbersackabend anders, man weiß vorher nie, was man erlebt, nur dass man was erleben wird. Freitag/Samstag herrscht pralles Leben. Das Licht ist hell, fast wie ein Spot, der auf alle gleichzeitig fällt. Der Umgangston ist rauh, aber charmant. Hier gibt es kein unbeteiligtes cooles Rumstehen, man ist in Bewegung, es wird getanzt, enges Gewühl, man kommt sich näher, fast zwangsläufig.  
Nirgendwo in Hamburg ist die Kontaktschwelle niedriger, ohne daß es unangenehm ist. Jeder spricht mit jedem. Nirgends ist die Publikumsmischung breiter und wilder, vom St Paulianer Habenichts bis zum Bürgermeister, Schauspieler,  Szenepublikum, Touristen, FC St. Pauli Anhänger, Junggesellinnenabschiede, jedes Alter, immer eine Mischung aus Neulingen und Veteranen. Wer lange genug bleibt, bleibt nicht allein. Nach dem fünften Astra verschwimmen die meisten Gegensätze.

Wird doch mal jemand verhaltensauffällig, bekommt er von Erna klare Hinweise. Kein noch so betrunkener Rabauke, den sie nicht im  Zweifel an den Ohren zur Tür befördern würde. Erna ist das Herz und die Seele des Ladens. Sie kennt ihre Gäste und sie sind ihr wichtig.
Obwohl Erna über die Jahrzehnte alles gesehen, jeden Spruch und jede traurige Geschichte gehört hat, hört sie immer noch zu, nüchtern und gelassen, aber auch mit echter Anteilnahme.  Sie ist das Oberhaupt der großen Silbersackfamilie, eine Art Queen Mum vom Kiez. Wer von ihr zum ersten Mal mit Namen begrüßt wird und wortlos sein Stammgetränk hingestellt bekommt, hat seinen Ritterschlag erhalten.

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