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Donnerstag

Makrele tschüss - 6. Ausgabe


Das Anwohnerportrait

Bilder: Carolin Urban

Wir gehen durch die vereinsamte Große Freiheit. Hier und da ein Lieferant, der einsam Kisten schleppt. Es ist Donnerstagnachmittag und die Große Freiheit gleicht einem Studio-Aufbau in Hollywood. Vor der Nummer 35 treffen wir auf Steffen. Er strahlt und führt uns direkt in das alte Rasputin, das sich gleich neben dem 80 cm breiten Eingang zum Kurhotel befindet und das er kürzlich übernommen hat.

Der Raum strahlt den Charme aus, den man mit den Läden verbindet, die zum Ruf St. Paulis beigetragen haben. Verwinkelt, eine Jukebox, leicht archaisch und vor allem pur mit einem Hauch Familiengefühl.
Die St.Pauli-Geschichte von Steffen Voß, 39, begann vor 12 Jahren als Anwohner, bis er seine gastronomische Seele entdeckte. Steffen, was ist Dein ursprünglicher Beruf?
"Ich bin Stadtplaner und habe auch lange für die STEG (Stadtentwicklungsgesellschaft) gearbeitet. Das war auf Dauer nicht so richtig spannend. Durch meine Verflossene und die Laica Bar habe ich damals den Zugang zum Nachtleben gefunden. Ich wollte unbedingt eine Disco haben und habe innerhalb eines halben Jahres zwei Läden (Kurhotel, Grüner Jäger) aufgebaut. Ab da stellte sich die Frage, ob ich noch weiter als Stadtplaner arbeiten will, nicht mehr. Zwischendurch bin ich übrigens mal nach Lurup gezogen. Das habe ich nur ein halbes Jahr ausgehalten.
Dann hatte St. Pauli mich wieder.

Das Rasputin hast Du nun dazu genommen. Interessant scheint, daß Ihr weitestgehend nichts verändert habt und den Laden als Mietlocation geplant habt.
"Die Große Freiheit hat sich in den letzten 5 Jahren stark geändert. Die umgebenden 99Cent-Läden, das entsprechende Publikum, die Aggression und Security-Präsenz machen andere Konzepte kompliziert. Meine gastronomische und veranstalterische Kreativität fühlt sich hier nicht herausgefordert. Vornehmlich wollte ich mit der Anmietung des Rasputins verhindern, daß hier ein weiterer 99Cent-Laden aufmacht. Das auch im Hinblick darauf, das Kurhotel mit seinem sehr kleinen Eingang zu schützen. Deswegen vermieten wir den Laden für kleine private Veranstaltungen. Für mich ist nur wichtig, daß das kostendeckend funktioniert und das läuft bisher schon sehr gut."
In Anbetracht der Entwicklungen in der Umgegend - ob Schickimickisierung in Richtung Brauerei-Quartier oder die Billigläden überall - könnte das Rasputin in seiner Ursprünglichkeit in ein paar Jahren bereits einen musealen Charakter haben.
"Genau und alle Stadtführungen statten uns einen Besuch ab, um den Touristen zu zeigen, was St.Pauli einmal war. Scherz beiseite. Die derzeitige Situation der Großen Freiheit macht es schwer, hier Inhalte reinzubekommen. Das Waffen- und Alkoholverbot sind nach meiner Meinung eher hilflose Versuche, dagegen anzusteuern. Man sollte vielmehr versuchen, die Immobilieninhaber und die wirtschaftlichen Interessensverbände zusammen zu bringen und darauf aufmerksam zu machen, daß die derzeitige Entwicklung zu einem Verfall des kulturellen Lebens führt. Das macht mittel- bis langfristig den Standort nicht attraktiv. Weder für Investoren noch für Touristen. Für Hamburger und insbesondere uns St. Paulianer natürlich auch nicht."
Wie sind Deine Wünsche für Dich und für St. Pauli?
"Meine Wünsche für mich und St. Pauli sind annähernd die gleichen. Ich möchte die Welt bunt und lebendig und St. Pauli wünsche ich auch Lebendigkeit, viel Buntes und deutlich mehr Visionäre.
Für St Pauli: Einen Masterplan – keinen Glamourwettbewerb – der Visionen aufzeigt und deutlich macht, was unbedingt zu erhalten ist, die vielen Nischen sichert....
Für uns alle: natürlich Neuwahlen..."

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