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Freitag

Makrele guckt - 4. Ausgabe


Roter Plüsch

von Sonja

Wie ich schon beim letzten Mal erwähnt habe, ist die dunkle, kalte Jahreszeit wie gemacht für Theaterbesuche. Nach der ganzen Jahreswechselfeierei und einer Erkältung hatte ich dann auch die Muße für die Häuser mit dem roten Plüsch in unserer Stadt.

Eines der Schönsten ist das Schauspielhaus und ein Besuch lohnt allein schon wegen des Anblicks von Logen, Deckengemälde und dem vielen Dunkelrot. Dort habe ich irgendwann in den letzten Wochen Cyrano gesehen. Eine modern inszenierte Fassung von der inzwischen allen durch den Film mit Gerard Depardieu bekannten herzzerreißenden Geschichte um Schönheit, Poesie und die Liebe einer Frau, die nicht ahnt, wie weit Männer gehen, um ihr nah zu sein. Leider ist zu der prämierten Aufführung nur zu sagen: coole Mucke, null Emotion. Das fanden die Schüler, die in der Reihe hinter mir saßen, auch. Aber ich habe im Schauspielhaus auch schon Umwerfendes gesehen, keine Frage.

Naja, wie gesagt, allein der Atmosphäre wegen lohnt ein Besuch.

Da aber auch das Umfeld der Reeperbahn über eine ausreichende Anzahl von Plüschhäusern mit ganz unterschiedlichem und meist sehr unterhaltsamem Programm verfügt, braucht man für den roten Stoff nicht weit zu reisen. Unter den Theaterhäusern auf den Kiez glänzt auch das St. Pauli Theater. Und … hätten Sie's gewusst?

Dieses Haus kann im Mai auf 167 Jahre Geschichte zurücksehen.

Denkmalgeschützt ist es und eines der ältesten Theater der Republik!

Nachlesen kann man das noch viel genauer auf der Homepage des Hauses, dort sind die Höhen guckt und Tiefen von 1841 bis zur Ära Ulrich Waller lesenswert geschildert.

Derzeit kann man dort unter anderem das aktuelle Programm des unterhaltsamen Beziehungsforschers Horst Schroth sehen, auf das ich durch die Werbeplakate an den Bushaltestellen aufmerksam geworden war. Denn wenn irgendwo steht „Wenn Frauen fragen“, dann weckt das mein Interesse. „Wenn Frauen fragen“ beschäftigt sich, wie der Titel schon suggeriert, weniger mit poetischer Liebe à la Cyrano und Roxane, aber immerhin mit Männern und Frauen – so ganz allgemein und alltäglich, sehr unterhaltsam.

Die Damen kommen bei Horst Schroth eigentlich immer recht gut weg und die Defizite der Herren werden so charmant erklärt und vorgetragen, daß man sehr nachsichtig gestimmt wird. Hoffentlich bleibt mir das jetzt für mein Leben erhalten. Ganz neu und sehr weiterbildend war für mich als Kunsthistorikerin, daß jeder Mann – weltweit – ein eigenes kleines Museum mit einer Sammlung von vier Bildern im Kopf trägt. Diese vier Bilder sind IMMER gleich und zeigen, in dieser Reihenfolge: Einen Fußball, einen Ferrari, Brüste und Ärsche. Aha! Und diese Privatsammlung schaut sich der Mann zum Beispiel an, wenn er gerade wohnt. Herr Schroth setzt apathisches auf dem Sofa Sitzen nämlich mit Wohnen gleich. Dem steht die Bemühung um Ordnung und Verschönerung von Heim und gegebenenfalls Garten gegenüber und das nennt man „Rödeln“. Der Mann wohnt, die Frau rödelt. Aha, aha!

Wie untermauert Horst Schroth seine Erkenntnisse, woher weiß er das alles?

Aus Mails, vielen Mails, die ihn von Hilfesuchenden erreichen. Alles Beziehungsgeplagte, zum Teil mit unerfülltem Ehewunsch, oder Singles mit, ebenfalls unerfülltem, Beziehungswunsch. Lösungen für diese Art von Problemen hat Schroth viele an der Hand und er vermittelt sie auch gerne an das wissbegierige Publikum. Allerdings rät er Menschen, die ihrem Singlestatus entkommen wollen, dringend von Anmachen wie folgender ab: „Baby, Dein linkes Bein ist Weihnachten, Dein rechtes Silvester. Kann ich zwischen den Tagen kommen?“ Ich denke, er hat recht, der Spruch ist nur was für ganz mutige Kamikazeflieger. Höchstens geeignet zur Anbahnung einer Beziehung für nur eine Nacht – höchstens.

Ich habe jedenfalls an diesem Abend sehr viel gelacht und weiß nun unter anderem, warum Männer meist nicht so viel für herkömmliche Museumsbesuche übrig haben. Da auch andere wissen, daß Horst Schroth sehr unterhaltsam ist, gilt er als Publikumsmagnet. Seine Besucherzahlen sind an jedem Abend sehr gut und im Gegensatz zum Schauspielhaus ist das St. Pauli Theater auch an diesem Abend fast ausverkauft. Aus diesem Grund sitze ich auch ein bißchen mit Säule im Blickfeld, weil es sonst keine Plätze mehr gab. Und was sehe ich? Hier sind sogar die Säulen in saisonal-modisches Plüschrot gehüllt! Ich bin entzückt, das ist mir zuvor nie aufgefallen.

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