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Mittwoch

Makrele denkt - 3. Ausgabe

Wir haben viel zu verlieren
von Julia

Rauchverbot, Alkoholverbot, Waffenverbot. Mmh, OK. Ich fühle mich lange genug auf St.Pauli Zuhause, daß einfallende Horden meine eigene Verteidigungsbereitschaft auf den Plan rufen. Allerdings fühlt sich diese auch unter deutschen Touristen im Ausland aufgefordert. Es handelt sich für mich entsprechend nicht um ein st.paulianisches Phänomen, sondern um eine grundsätzliche Respektlosigkeit und ausgeprägtes schlechtes Benehmen. Dank einiger Gäste, die meinen, hier alle Grenzen des normalen Miteinanders einfach übertreten zu dürfen, ist St.Pauli nun also als “gefährliche Zone” deklariert.
Danke dafür! 
Ich bin gern Gastgeber – würden sich die Gäste doch bitte auch so benehmen. Neben dem Waffenverbot haben wir wahrscheinlich auch noch ein Glasflaschenverbot bis zu einem Alkoholverbot im öffentlichen Raum zu erwarten.
Ist es wirklich so, daß die Menschen nur Verbote verstehen? Sind Verbote die einzige Ansprache, die unsere Gesetzgeber und Politiker haben? Verbote wirken sich leider immer auch auf die Menschen aus, die nicht zu der angepeilten Zielgruppe der Krawallmacher gehören.
Das Waffenverbot betrifft eben leider auch die Großmutter, die ein Messer zum Apfelschälen bei sich trägt, den Handwerker mit einem Cutter-Messer, den Türsteher, den Koch … eben alle. Sie alle verlieren im Konfliktfall ihr Eigentum: das Schweizer Taschenmesser usw. wird einbehalten. Der Bürger wird enteignet.
Die beruhigenden Worte unserer Politik und unserer Polizei, man wolle die Verordnung vornehmlich nur auf die “Zielgruppe” anwenden, ist kein Trost. Zum einen: Wie sieht es in 10 Jahren aus? Anderer Senat und anders besetzte Wache und dann …? Zum anderen: nur für “Zielgruppen”, ohne diese zweifelsfrei zu definieren? Wie soll im Zweifel der Richter entscheiden? Fehlt einer polizeilichen Maßnahme eine ausreichend klare gesetzliche Grundlage, würde die Maßnahme zur Willkür. Das wäre dann ein Verstoß gegen das Willkürverbot der Verfassung (Art. 3 Grundgesetz). Außerdem würden hier Tor und Tür für den Verlust weiterer Bürgerrechte geöffnet.
Was haben wir noch zu erwarten?
Einlasskontrollen, Zugangssperren, Ordnungshüter an jeder Stelle, weitere Gesetze und Verordnungen, Richtmikrophone, Kameras, erweiterte Durchgriffsrechte der Polizei etc..
Der Lauschangriff wirkt dagegen wie ein Kindermärchen.
Ich erlaube mir an dieser Stelle einen Apell:
Liebe Gäste, ihr seid willkommen, aber St.Pauli ist unser Zuhause und schon damit kein Ort an dem man sich per se über alle bestehenden Regeln hinwegsetzen darf.
Liebe St.Paulianer, steht zusammen und lasst es nicht zu, daß aus dem Kiez ein Ort der Willkür wird. Wirkt auf die Besucher des Stadtteils ein und macht öffentlich, daß St.Pauli anders ist, als die Medien es so gern behaupten.
Liebe Gewerbetreibende, bei jedem Profitinteresse, hört auf, ohne Rücksicht auf Verluste Billigalkohol, 99Cent-Besäufnisse und Flat-Rate-Exzesse zu fördern.
Liebe Politik, versuche doch einfach mal andere Wege und werft unsere Bürgerrechte nicht einfach so aus dem Fenster.

Wir haben viel zu verlieren.

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